Zweiter Diesel-Gipfel mit Kommunen im Kanzleramt – Lob und Kritik

BGM Kuhn: Ich will zunächst einmal sagen: Wir haben eine sehr gute Diskussion gehabt, inhaltlich manchmal sehr strittig, aber immer auf der Suche danach, wie man was am besten lösen kann. Mit einem einmaligen 1-Milliarde-Programm werden wir nicht alle Probleme beim Stickoxid lösen, aber ohne auch nicht. So sehe ich das Programm pragmatisch. Es hilft an einer Stelle. Aber eines ist uns nach den Zahlen, von denen ich aus Stuttgart berichten kann, wichtig: Die Automobilindustrie darf wegen eines solchen Programms nicht außen vor bleiben. Die Aufgaben der Automobilindustrie sind noch nicht gelöst. Es gibt den sauberen Euro-6-Diesel, aber der ist längst nicht in allen Flotten und von allen Herstellern auf dem Markt. Die ausländische Automobilindustrie beteiligt sich ja noch nicht einmal an der Nachrüstung. Wie intensiv die Nachrüstung propagiert und gemacht wird, ist nicht ganz klar. Technisch wird sie nur als Software-Nachrüstung gemacht, aber nicht in der Hardware.

Ein zweites Beispiel: Die Fahrzeuge, von denen wir alle auch in diesem Förderprogramm reden, gibt es auf dem deutschen Markt nicht. Man bekommt derzeit keinen voll elektrischen Bus, der sozusagen im Linienverkehr einsetzbar ist; Herr Müller hat das Nötige dazu gesagt. Man bekommt auch kaum Elektrofahrzeuge für die städtischen Flotten. Das muss sich alles rasch ändern, nicht erst innerhalb von zehn Jahren oder fünf Jahren, sondern rascher. Deswegen appelliere ich noch einmal eindringlich, den Druck auf die Automobilindustrie jenseits dieses Förderprogramms nicht auszusetzen.

Das Programm ist jetzt verbessert worden. Ganz wichtig ist vor allen Dingen, dass der förderunschädliche, vorzeitige Beginn des Programms jetzt sofort stattfinden kann. Das heißt, wir können jetzt im Rahmen des Programms ohne Risiko bestellen und dann eben die Komplementärmittel der Gemeinden dazu organisieren. Wichtig ist auch die Zusage, dass es so unbürokratisch wie möglich gehen soll. Das Lotsenmodell ist sicherlich gut, damit die Städte wissen: Mit dem Menschen redest du, und es läuft. Das ist eine klare Zusage der Bundesregierung. Wir haben viel über Grundsatzpunkte gestritten. Aber in Bezug darauf, was man mit der Milliarde machen kann, sind wir doch ganz schön weit gekommen.

Zum Abschluss will ich noch sagen: Eine ganz spannende Grundfrage ist, weil das Gros der Stickoxide nicht aus den Bussen und auch nicht aus den Taxen, sondern aus den ganz normalen privaten Diesel-Pkw kommt, wie die Leute schneller dazu kommen, dass sie sich sauberere Fahrzeuge – Diesel oder andere, Euro-6-Diesel oder Benziner oder Elektrofahrzeuge – kaufen. Mein Eindruck ist: Von der Folie von Verboten – nächstes Jahr wird ja vor dem Bundesverwaltungsgericht über die ersten Fahrverbotsklagen entschieden werden – sind die Leute heute verunsichert. Sie wissen nicht genau: Was kommt jetzt, und was kommt nicht? Es gibt auf den Märkten nichts Schlimmeres als Verunsicherung. Die blaue Plakette ist ja auch ein Verbot, aber sie schafft klare Regeln, zum Beispiel, dass sie bis 2021 in Kraft tritt, wenn der Durchdringungsgrad von Euro-6-Dieselfahrzeugen bei 80 Prozent liegt. Dies schafft nach meiner Überzeugung Klarheit. Auch der Deutsche Städtetag argumentiert eigentlich geschlossen so. Klarheit ist die größte Voraussetzung dafür, dass die Menschen am Markt reagieren und sich bessere Fahrzeuge kaufen, eher als Unsicherheit und Unklarheit. Das war heute immer wieder kontrovers, aber wir haben um das Argument gerungen, was nun richtig ist. Ich hoffe, dass eine blaue Plakette in dieser oder jener Form kommt, weil dann der Anreiz, schneller bessere Fahrzeuge zu kaufen, nach meiner Überzeugung einfach größer ist.

BGM Philipp: Wichtig ist, dass sich die Rahmenbedingungen der zusätzlichen Förderung heute noch einmal bestätigt und auch konkretisiert haben. Das heißt, wir reden über eine Milliarde Euro an zusätzlichem Geld, das nicht gegen bestehende Fördermittel aufgerechnet wird. Wir reden über den Zeitraum eines Jahres und können als Planungsprämisse davon ausgehen, dass auch in den Folgejahren ein ähnlicher Betrag zusätzlich zur Verfügung stehen wird. Dem ist heute nicht widersprochen worden, von keiner Seite. Damit haben wir dann natürlich auch die Möglichkeit, die Programme, die wir kommunal auflegen, entsprechend auszurichten.

Wir hatten die Gelegenheit und die Zeit, heute auch wirklich in die Tiefe zu gehen, und das war wichtig; denn es ist insgesamt sehr komplex. Jede Stadt ist letztlich anders aufgestellt, hat andere Rahmenbedingungen, und auch der Förderdschungel, den es da gibt, will gut bespielt sein und gut genutzt werden. Ich glaube, dass inzwischen ein gemeinsames Verständnis davon besteht, wie wir das machen wollen, nämlich möglichst pragmatisch, möglichst schnell und möglichst effizient auf die Effekte ausgerichtet. Das ist ja nicht der Geist bestehender Förderprogramme, sondern es bedarf sozusagen eines übergreifenden Blicks. Deshalb ist das Einrichten der Lotsen auch mehr als nur das Bereitstellen von mehr Personal, sondern es ist tatsächlich die Übernahme des Geistes dieses Gesprächs in die praktische Umsetzung hinterher. Darauf müssen wir jetzt setzen.

Wir haben als kommunale Ebene eine Menge Ideen und eine Menge Möglichkeiten, aber wir brauchen eben auch die Gesprächspartner, mit denen wir die Fördermittel, die es gibt, möglichst gut und so nutzen, dass wir sie auch abrufen können. Denn hohe Eigenanteile können wir im Rahmen der notwendigen Geschwindigkeit gar nicht aufbringen, weder hinsichtlich der Geschwindigkeit noch der Dimension. Deshalb ist das Verzahnen der verschiedenen Möglichkeiten auf allen Ebenen ganz, ganz wichtig. Wenn das so gelingt, wie es heute verabredet wurde, dann bin ich zuversichtlich, dass wir in den großen Städten einen wirklich großen Schritt nach vorne als einen Einstieg in die Verkehrswende machen.

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