Lesehinweis: „So wird Wasserstoff grün“

„Da wird praktisch die gesamte Öl- und Gasindustrie durch etwas Neues ersetzt“

Bei der Energiewende setzt die Politik auf Wasserstoff, dessen Produktion allerdings klimaschädliches CO2 freisetzt. Die Herstellung dieses Energieträgers ist also (noch) nicht CO2-neutral. Wie sie das werden kann, erklärten die Chemieprofessoren Beatriz Roldan und Robert Schlögl, beide Direktoren am Berliner Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft. In einem Interview mit Norbert Lossau in der Welt entwerfen sie am 06.03.2020 einen Weg in die grüne Wasserstoffwirtschaft, und erklären, wie sich der Energieträger klimafreundlich herstellen und Wasserstoff eine zentrale Rolle in einer klimaneutralen Energieversorgung spielen kann.

Grüner Wasserstoff - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Grüner Wasserstoff – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Laut Schlögl lässt die deutsche Energiewende „nicht allein mit elektrischem Strom bewältigen“. Ohne stoffliche, also chemische Energieträger wie vor allem Wasserstoff werde es nicht gehen. Daher sei die von der Bundesregierung angekündigte Wasserstoff-Strategie sinnvoll. Die Energiewende erfolgt aus Schlögls Sicht in zwei Phasen:

  1. Zunächst werde die Produktion von elektrischem Strom auf Erneuerbare Energien umgestellt (in erster Linie auf Wind und Sonne).
  2. In der zweiten Phase müssten auch alle anderen Energiesektoren klimaneutral werden.

Zur Erläuterung der Größe dieser Herausforderung nennt Schlögl Zahlen zum Energieverbrauch in Deutschland: 3500 TWh pro Jahr. Davon entfielen nur 550 TWh auf Strom, davon seien aber lediglich rund 200 TWh Grünstrom, also aus regenerativen Quellen. Blieben noch 3300 TWh, die auf Erneuerbare Energiequellen umgestellt werden müssten, ein riesiger Bedarf, der „ohne massiven Einsatz von Wasserstoff“ nicht gedeckt werden könne. „In der Wasserstoffstrategie geht es offenbar zunächst nur darum, einen Teil des Verkehrssektors mit diesem Energieträger zu versorgen. Das ist jedoch viel zu kurz gesprungen. Die Autoren der [Wasserstoff-]Strategie unterschätzen die Größenordnung, in der wir Wasserstoff benötigen werden.“

Beatriz Roldan erwartet aktuell, dass die zur Elektrolyse nötigen Katalysatoren effizienter und der elektrische Strom preiswerter wird: „Wir sollten aber nicht den Fehler begehen und daraus schließen, dass Deutschland in Zukunft seinen gesamten Energiebedarf auf diese Weise decken könnte. Es gibt viel bessere Standorte zur Gewinnung von Solarstrom, zum Beispiel in meinem Heimatland Spanien oder auch in Nordafrika.“ Es sollten Orte mit viel Sonne und viel Wind gesucht werden. Unsere Aufgabe in Deutschland sei es, „die bestmögliche Technologie zu entwickeln, sie in Deutschland zu testen und zu implementieren, aber sie auch in sonnenreiche Länder zu exportieren. Dort lässt sich Wasserstoff per Elektrolyse gewinnen, mithilfe von flüssigen Trägermolekülen transportfähig machen und mit dem Schiff nach Deutschland bringen. Bei der Technologie der Wasserstoffelektrolyse sind wir derzeit noch Weltmeister.“ Allerdings vollziehe sich der Transfer von Wissen bei uns zu langsam.

Daher bestehe laut Schlögl „die große Gefahr, dass wir uns mit der Rolle des Kunden für das Produkt Wasserstoff werden begnügen müssen. Das sollten wir unbedingt vermeiden. Wir müssen einen Teil der Wertschöpfung im eigenen Lande behalten. Wir reden hier von einer Zukunftstechnik, bei der wir beim Know-how und bei den Patenten führend bleiben könnten und sollten. Dann wird Deutschland von der Energiewende auch wirtschaftlich profitieren.“

Laut Schlögl geht es „um einen gigantischen technologischen Umbau. Da wird praktisch die gesamte Öl- und Gasindustrie durch etwas Neues ersetzt.“ Im Flugverkehr werde als erstem Verkehrssektor das Kerosin durch synthetische Treibstoffe ersetzt, sagt Roldan. Bei Autos werde der Preis entscheiden, welcher Energieträger sich durchsetze.

  • Beatriz Roldan leitet seit Juni 2017 als Direktorin die Abteilung Grenzflächenforschung am Fritz-Haber-Institut: „Unsere Gruppe untersucht die strukturellen, elektronischen, schwingungstechnischen und chemischen Eigenschaften von größen- und form-ausgewählten Nanostrukturen und deren Grenzflächen mit Gas- und Flüssigkeitsumgebungen für Anwendungen in der thermischen Katalyse und Elektrochemie.“
  • Robert Schlögl ist seit 1994 Direktor Anorganische Chemie*) am Fritz-Haber-Institut und Honorar-Professor an der Technischen Universität Berlin und seit 2011 Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim, Ruhr.
    *) „Die Abteilung Anorganische Chemie des Fritz-Haber-Instituts will ein allgemeines Verständnis der heterogenen Katalyse als ein vielschichtiges Phänomen entwickeln. Dazu wendet die Abteilung eine in situ-Methodik an und kombiniert die gewonnenen Informationen mit kinetischen Daten. Der Grundgedanke hinter diesem Ansatz ist die Erkenntnis, dass Katalysatoren dynamische Materialien sind, deren aktive Zentren unter Reaktionsbedingungen gebildet oder umgewandelt werden.“

->Quelle und komplettes Interview: welt.de/Wasserstoff-Warum-Deutschland-sich-bei-der-Energiewende-ausbremst