Niederlande von RWE wegen Kohleausstiegs verklagt

Schiedsklage vor ICSID eingereicht

Deutschlands größtes EVU fordert von der Regierung in Den Haag (Insider schätzen zwei Milliarden Euro) Entschädigung dafür, dass es bis 2030 seine zwei Kohlekraftwerke in den Niederlanden abschalten muss. Denn das Nachbarland hat 2019 beschlossen, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen. RWE hat das Unternehmen den niederländischen Staat deswegen verklagt und fordert Schadenersatz. Umwelt- und Klimaschützer kritisieren den Schritt als „Gift für die Energiewende“. RWE will vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten – ICSID) eine Entschädigung für den niederländischen Kohleausstieg erreichen.

Deutsches RWE-Kohlekraftwerk Niederaußem – Foto © Franziska Vogt für Solarify

Das Unternehmen beruft sich dabei – wie bereits Vattenfall 2014 bei seiner ICSID-Klage gegen Deutschland aufgrund des Atomausstiegs (siehe: solarify.eu/vattenfall-stiehlt-sich-aus-den-atom-kulissen/) – auf den Energiecharta-Vertrag (ECT), ein internationales Investitionsabkommen, das 1994 unterzeichnet wurde. Die beiden RWE-Meiler stehen in Geertruidenberg südöstlich von Rotterdam und in Eemshaven an der Nordseeküste. Sie müssen nach dem niederländischen Ausstiegsplan 2025 beziehungsweise 2030 vom Netz gehen. Das erste Kraftwerk läuft seit 1994, das zweite erst seit 2015.

„Es ist eine dürre Meldung“, so Petra Hannen auf pv magazine, „die das zur Weltbank-Gruppe gehörende International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) jetzt auf seiner Webseite veröffentlichte: Die RWE AG und die RWE Eemshaven Holding II BV haben gegen die Niederlande die Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens beantragt. ‚Gegenstand des Rechtsstreits: Kohlekraftwerk‘, heißt es beim ICSID“. Wie das Climate Action Network (CAN) mitteilt, schützt der ECT ausländische Investitionen in die Energieversorgung und erlaubt es Investoren, von ihrem Gaststaat eine Entschädigung für fast alle Maßnahmen zu verlangen, die die erwarteten Gewinne des Investors verringern. Der Direktor des Climate Action Network (CAN) Europe, Wendel Trio, kommentierte: „Es ist empörend, dass fossile Brennstofffirmen diesen mächtigen Vertrag nutzen können, um die saubere Energiewende zu behindern. Es ist höchste Zeit für die europäischen Länder, sich aus diesem gefährlichen Abkommen zurückzuziehen und keine Zeit mehr mit vergeblichen Versuchen zu verschwenden, es zu reformieren.“

„RWE führt die eigene Werbekampagne ad absurdum, in der sich das Unternehmen als Treiber der Energiewende präsentiert“, kommentiert Sebastian Rötters von Urgewald. RWE habe 2015 längst gewusst, dass die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Eemshaven vor dem Hintergrund der fortschreitenden Klimakrise ein Akt der Verantwortungslosigkeit war. „Dass das Unternehmen nun einen EU-Staat dafür verklagen möchte, dass es die Klimakrise bekämpfen will, spottet jeder Beschreibung“, so Rötters weiter. “So eine Klage auf der Basis des Energiecharta-Vertrages ist Gift für die Energiewende und ein besonders perfider Versuch wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise abzuwürgen.” Investoren dürften dieses Spiel nicht mitspielen, sondern müssten von RWE die Rücknahme der Klage und einen Kohleausstieg spätestens 2030 verlangen. Andernfalls sei jede Investition in RWE nichts weiter als eine Wette gegen Klimaschutz und Demokratie.

RWE unterstütze ausdrücklich die Energiewende im Nachbarland, erklärte der Essener Konzern, so Petra Hannen. Allerdings sehe das vom niederländische Parlament verabschiedete Gesetz anders als das deutsche Kohleausstiegsgesetz „für diesen Eingriff in das Eigentum der Unternehmen keine adäquate Kompensation vor“. Das sei nicht rechtens.

„Wir sind Treiber der Energiewende – und setzen uns ehrgeizige Ziele
Die moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft hat viele Lebensadern: Datennetze, Mobilität, wettbewerbsfähige Industrien, Gebäudeinfrastruktur. Eines haben diese Bereiche gemeinsam: Sie alle benötigen Strom – die wichtigste Energie unserer Zeit. Je weiter Digitalisierung und Elektrifizierung voranschreiten, desto größer wird der Bedarf an ständig verfügbarer, sicherer Versorgung. Die Gesellschaft stellt das vor eine große Aufgabe: steigenden Strombedarf decken und gleichzeitig das Klima schützen. RWE produziert diesen Strom – sauber, sicher und bezahlbar. Wir investieren massiv in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Speichertechnologien. Mit unserem flexiblen Kraftwerkspark unterstützen wir eine sichere Energieversorgung. Unser Ziel ist klar: Wir werden bis 2040 klimaneutral.“ (Internetseite von RWE)

Neben den von Branchenkreisen geschätzten rund zwei Milliarden Euro soll RWE in Deutschland, wo der Kohleausstieg bis 2038 geplant ist, für den Ausstieg aus der Braunkohle weitere 2,6 Milliarden Euro Entschädigung bekommen. RWE argumentiert laut klimareporter.de, die niederländische Regierung habe die Anlage damals schließlich ausdrücklich befürwortet. Urgewald sowie die Organisationen Powershift und Client Earth fordern hingegen , dass Deutschland und andere EU-Länder aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigen. Nur das könne weitere Klagen verhindern. „Ein Urteil im Sinne des Konzerns könnte andere Regierungen davon abschrecken, dringend notwendige klimapolitische Maßnahmen einzuleiten“, warnte Francesca Mascha Klein von der Umweltrechtsorganisation Client Earth.

Klein verwies auf die Initiative der französischen Regierung, die erst in dieser Woche einen Austritt der EU und ihrer Mitgliedsstaaten aus dem Vertrag zur Diskussion gestellt hat.

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