Mehr als die Hälfte aller ausgedienten Elektrogeräte verstaubt in Kellern, Schubladen oder landet im Restmüll statt in der Recyclinganlage. Was dagegen helfen könnte, zeigt jetzt eine Studie der EU.

Das Handy nach ein paar Jahren gegen ein neues tauschen? Mit einem Abo-Modell bleiben Kobalt, Lithium und andere kritische Rohstoffe garantiert im Kreislauf. Foto: Martin
Bohrmaschinen oder Smartphones im Abo statt im Eigentum. Die Sharing Economy ist eine Lösung für eines der drängendsten Probleme Europas: den Mangel an kritischen Rohstoffen. Das Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission hat erstmals wissenschaftlich untersucht, welche Auswirkungen Leih-Angebote, sogenannte Produkt-as-a-Service-Modelle (PaaS), auf die Kreislaufwirtschaft haben. Abonnementbasierte Nutzungsmodelle können die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe nicht nur verbessern, sondern sogar revolutionieren.
Für die Studie analysierten die Forscher einen Akku-Handstaubsauger, der wahlweise gekauft oder über ein Abo-Modell genutzt werden kann. Die Materialflussanalyse zeigt erhebliche Unterschiede: Während beim klassischen Kauf nur 41 Prozent der ausgedienten Geräte ordnungsgemäß gesammelt werden, liegt die Quote bei PaaS bei fast 100 Prozent. Noch dramatischer fällt der Unterschied bei der Wiederverwendungsrate von Komponenten aus – sie steigt von null auf 90 Prozent. Bei Aluminium und Kupfer verdreifacht sich der Anteil recycelter Materialien dank der Rückgabe von 18 auf 52 Prozent.
Die Gründe dafür liegen in der Logik des Geschäftsmodells: Bei PaaS behält der Anbieter das Eigentum am Produkt. Nach Beendigung der Vertragslaufzeit erfolgt automatisch die Rückführung des Geräts zum Hersteller, welcher in der Lage ist, Komponenten mit Restlebensdauer gezielt für eine erneute Nutzungsphase zu gewinnen. Da der Hersteller die Reparatur- und Ersatzkosten übernimmt, ist er wirtschaftlich daran interessiert, Produkte langlebig zu gestalten und Komponenten mehrfach zu nutzen. Bei verkauften Produkten hingegen verschwinden 59 Prozent in privaten Schubladen, auf Dachböden oder werden illegal entsorgt. Die meisten alten Geräte werden nicht in einer geeigneten Recyclinganlage entsorgt.
Für wichtige Rohstoffe wie Kobalt, Lithium, Neodym und Dysprosium, von denen Europa stark auf den Import angewiesen ist, sind diese Erkenntnisse besonders wichtig. In der Studie wurde ein Staubsauger als Beispiel genutzt. Dieser enthält insgesamt 647 Gramm verschiedener Substanzen in Batterie, Motor und Leiterplatte. Laut der Untersuchung verringert sich der Materialbedarf bei Leih-Modellen im Vergleich zum Kaufmodell um 50 bis 97 Prozent. Das bedeutet, dass sich mit denselben Rohstoffen doppelt so viele Nutzungszyklen realisieren lassen.
Die Forscher identifizierten vier Hauptfaktoren für ressourceneffiziente PaaS-Angebote: Materialgehalt der Komponenten, Nutzungsdauer des Services, Recyclingquoten und Wiederverwendungsraten. Insbesondere die Wiederverwendung von Komponenten stellt einen äußerst effektiven Hebel dar – ihre Bedeutung liegt um das Zehnfache über der Nutzungsdauer. Es gibt konkrete Auswirkungen auf das Design: Hersteller sollten ihre Produkte so entwerfen, dass Batterien, Motoren und Leiterplatten leicht austauschbar sind und über mehrere Generationen hinweg passen.
Obwohl dieses Potenzial gegeben ist, finden sich PaaS-Modelle im europäischen Rechtsrahmen heute bisher nicht. Weder die Ökodesign-Richtlinie noch die Batterienverordnung oder der Critical Raw Materials Act enthalten spezifische Anreize oder Regelungen für diese Modelle. Obwohl die Umweltbilanz von gemieteten und verkauften Produkten grundlegend unterschiedlich ist, behandelt die erweiterte Herstellerverantwortung sie gleich. Deshalb fordern die Forschenden die EU-Kommission auf, PaaS in den Kreislaufwirtschaftsstrategien ausdrücklicher zu integrieren und transparente Bewertungs- und Kennzeichnungssysteme zu entwickeln.
Quellen:
- JRC EU SCIENCE-HUB: Product-as-a-Service: a consumer model for a more circular economy
- EU-Kommission Research-Paper: Product-as-a-Service as an essential enabler for circular economy in the EU