Hohe Netzstabilisierungskosten Ergebnis mangelnden dezentralen Ökostromausbaus

Fell kritisiert Fehlentwicklungen der bundesdeutschen Klimapolitik 

Zur von Tennet losgetretenen Diskussion über die hohen Redispatch-Kosten 2017 (Solarify berichtete mehrmals) hier der Energieexperte Hans-Josef Fell: „Seit Jahren haben die schwarz-, rot-, gelben Regierungen in Bund und Ländern den Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien massiv ausgebremst und zudem fast nur noch auf Windenergie, und das auch noch immer mehr nur im Norden, konzentriert. Als Ergebnis müssen jetzt die Netzbetreiber immer häufiger mit hohen Kosten den Stromausgleich von Norden nach Süden und zwischen windstarken und windschwachen Zeiten ausgleichen.“

Windturbinen und Strommasten bei Pfalzfeld, Eifel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Tennet beklage vorläufigen Zahlen zufolge fast eine Milliarde Euro Kosten für Netzeingriffe ins Stromnetz im windstarken Jahre 2017. 2015 hätten die Kosten für die Eingriffe bei etwa 710 Millionen Euro gelegen, im windschwachen Jahr 2016 seien es 660 Millionen gewesen.

 

Fell räumt ein, es sei „gut und richtig, dass die Windenergie auch im Norden stark ausgebaut wird. Aber den Ausbau des Ökostromes fast nur noch auf die Windenergie im Norden unter Vernachlässigung der anderen Regionen sowie der anderen Ökostromarten zu konzentrieren ist ein dramatischer, schon lange sichtbarer Fehler.

Viele Fehlentwicklungen der letzten Jahre zeigen dies immer deutlicher. Schon 2016 nahm die Stromerzeugung in Bayern durch das Abschalten des AKW Grafenrheinfeld gegenüber dem Vorjahr um 5,5 % ab, weil wegen der 10 H-Regelung und dem Wechsel zu Ausschreibungen im EEG in Bayern fast nichts mehr in Erneuerbare Energien investiert wird. Es musste schon vermehrt Strom aus anderen Regionen nach Bayern fließen, da es keinen nennenswerten Zubau mit Erneuerbaren Energien mehr in Bayern gibt.

Nun ist an Silvester auch endlich der Block B im Kernkraftwerk Gundremmingen abgeschaltet worden. Das bedeutet aber, dass wegen weiterhin fehlendem Erneuerbare-Energien-Ausbaus in Bayern die zeitliche und räumliche Ungleichheit der Stromproduktion in Deutschland weiter verschärft werden wird. Die Südlink-Stromtrasse wird erst 2025 fertig sein und dann nur teilweise helfen.

Der ungenügende dezentrale Ausbau von Ökostrom und Speichern ist daher zusammen mit der fehlenden Abschaltung von unflexiblen Kohlekraftwerken ursächlich für die hohen Netzeingriffskosten von Tennet. Die Kohlekraftwerke sitzen ja gerade auch vielfach im Norden und Osten, genau dort wo viel Windstrom erzeugt wird und produzieren auch in windstarken Zeiten weiter munter Strom, den niemand braucht. Mit dem Abschalten von Gundremmingen B wird sich die Schieflage von Norden nach Süden weiter erhöhen und die Kosten für die Netzabschaltungen werden 2018 weiter steigen.

Das einzig Richtige gegen die weitere Steigerung der Netzstabilisierungskosten ist der steile aber flächendeckende dezentrale Überall-Ausbau der Erneuerbaren Energien zusammen mit Speichern unter gleichzeitigem Abschalten der Kohle. Aber genau das verhindert die aktuellePolitik. Notwendig wären gesetzliche Maßnahmen, die die hohe Bereitschaft und Businessmodelle vieler Start-ups und etablierter Unternehmen stützen, um den Schwankungsausgleich von Sonne und Wind mit Investitionen in 100% Vollversorgungsprojekte vor Ort zu schaffen. Das würde auch mit direkten Erzeuger-Kunden-Beziehungen unterstützt. Dass dies immer mehr Investoren anstreben (Handelsblatt)  und trotz den in Deutschland eher verhindernden gesetzlichen Rahmenbedingungen doch vereinzelt schaffen, ist erfreulich aber zu langsam.

Wir brauchen die Ökostrom-Direktvermarktung aber nicht nur mit direktem Stromverkauf von großen Windparks an Großkunden wie Amazon, sondern auch in der Region, um die Haushaltsstromkunden mehr einzubinden. Mit einer EEG-Kombikraftwerksvergütung zusammen mit einer wirklich funktionierenden Direktvermarktungs-Verordnung kann die Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren Energien schnell und kostengünstig gelingen, womit dann die Netzkosten der Übertragungsnetzbetreiber stark reduziert werden können. Direktvermarktung von Ökostrom und eine EEG-Kombikraftwerksvergütung würden einen steilen aber versorgungssicheren Ausbau der Erneuerbaren Energien befördern und so unter Abschaltung der Kohlekraftwerke auch die hohen Netzstabilisierungskosten schnell verringern, lange bevor die neuen Leitungen fertig sind.“

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