Photovoltaik: Vom Hoffnungsträger zum Sündenbock

Die Invasion der Kommentare in unserem Blog

Sehr schnell nach der Veröffentlichung des sehr kritischen Blog-Posts hagelte es Kommentare, die inhaltlich und in ihrer Wortwahl ziemlich genau das wiedergaben, was den Schlagzeilen des medialen Trommelfeuers der letzten Monate gegen EEG, EEG-Umlage und Photovoltaik entsprach. Die sehr schnellen Reaktionen verwunderten uns, da der gleichzeitig mit dem Blog-Post veröffentlichte Zeichentrickfilm hingegen noch keine zwanzig Aufrufe hatte. Mir kam das seltsam vor, da unser Firmenblog sonst nicht in dieser Weise und vor allem nicht so schnell frequentiert war. Welcher normale Bürger verfolgt unseren kleinen Firmenblog, um sofort mit zum Teil energiewirtschaftlichen Insider-Infos zu kontern? Nach Überprüfung der angegebenen E-Mail-Adressen stellte sich folgender Sachverhalt dar: Die angegebenen Mail-Adressen der gleichförmigen Anti-EEG-Kommentare waren bis auf eine allesamt ungültig und auffallend ähnlich mit nur kleinen Abweichungen. Eine reale Mailadresse war allerdings dabei. Zu dieser Person gelang es mir, aufgrund der eindeutigen Mail-Endung und nach kurzer Internet-Recherche telefonisch Kontakt aufzunehmen. Wir telefonierten ca. 30 Minuten. Es war eine ältere Dame, Leiterin einer katholischen Kita, deren berufliche Mailadresse lediglich ein paar Tage zuvor im Netz veröffentlicht worden war. Die gute Frau hatte noch nie etwas von EEG, EEG-Umlage oder Quotenmodell gehört, konnte mit Photovoltaik nichts anfangen und wusste auch nicht, was ein Blog ist, geschweige denn, wie man darin Kommentare platziert. Die Arme fiel aus allen Wolken. Ihre berufliche Mailadresse war von einem Fremden missbraucht worden.

Nicht nur diese zutiefst erschrockene Frau fiel aus allen Wolken. Ich auch. So begann ich zu untersuchen, ob da Methode dahinter steckte. Ich las nochmal gründlich die Handlungsempfehlungen in den Originaldokumenten der Kommunikationsagenturen. Auf S. 92 des PRGS-Konzepts fand ich schließlich folgende Handlungsempfehlung: „Beginnend mit einer Bestandsaufnahme relevanter Blogs werden Argumente pro Kernenergie in den Webdiskurs eingespeist. […] Entsprechend der Ausrichtung identifizierter Blogs werden die entwickelten Argumente zielgruppenadäquat formuliert.“ Die gleiche PR-Agentur gab zudem Anleitungen wie durch „Integration von Social-Media in der Kommunikation” mit Hilfe von Alert-Diensten, Twitterbeep etc. sämtliche News, Blogs, Foren im Web, in denen eine ausgewählte Marke oder ein ausgewählter Schlüsselbegriff vorkommt, im Auge behalten und unmittelbar reagiert werden kann. Ich war fassungslos und konnte und wollte es kaum glauben.

November 2010 war in den Medien erstmals von der Forderung eines Deckels für Photovoltaik zu lesen und Anfang 2011 forderte ein Landes-FDP-Politiker gleich die komplette Abschaffung des EEG.

Doch alles änderte sich im März 2011 mit dem furchtbaren Atomunglück in Japan. In gleich drei Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima kam es zur Kernschmelze. Die Welt war nicht mehr die Gleiche. Und die deutsche Regierung, die kurz vorher noch die Laufzeitverlängerung altersschwacher Alt-AKW beschlossen hatte, erlebte Massenproteste und große Empörung. In den Zeitungen geschah Erstaunliches. Das vorher monatelang ununterbrochene Dauermantra „Ökostromförderung lässt Strompreise explodieren“ verstummte Mitte März augenblicklich. Keine Zeile mehr zu explodierenden Strompreisen durch solare Übersubventionierung, obwohl die Nachfrage nach Photovoltaik viel stärker war als zuvor. Über Wochen und Monate blieb es still, es herrschte regelrechte Friedhofsruhe beim PV-Bashing. Vorübergehend…

Offshore-Haftungsregelung und Industrieausnahmen

Nach mehreren Energiegipfeln mit der atomar-fossilen Energiewirtschaft verkündete die gleiche Regierung, die wenige Monate zuvor gegen den Willen der Bürger eine Laufzeitverlängerung durchgesetzt hatte, plötzlich mantraartig die Energiewende, als hätte sie diese persönlich erfunden. Die Richtung war klar: Offshore und Stromtrassen. Gleichzeitig wurde die EEG-Novelle mit Kürzungen für alle dezentralen Energieträger sowie eine massive Ausweitung der Industrieprivilegien zur EEG-Umlage beschlossen. Auch beschloss das Bundeskabinett zu Lasten der Endverbraucher und zugunsten der Energiekonzerne, bzw. Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen die Offshore-Haftungsregelung. Gab es seitdem pausenlos aufgeregte Schlagzeilen zu den zu erwartenden höheren Strompreisen durch Offshore und ausgeweitete Industrieausnahmen? Nein!

EEG-Umlage im Fukushimajahr

Die EEG-Umlage ist ein rein rechnerischer Wert. Er beruht auf Prognosen und Zubauzahlen für Ausgaben und Einnahmen für das Folgejahr, sowie hochgerechneter Werte anhand des EEG-Kontostands im September des laufenden Jahres. Die EEG-Umlage wird von den ÜNB jährlich für das folgende Kalenderjahr bekannt gegeben. Gab es in Anbetracht des starken Nachfrageschubs 2011 und der zugleich im Juli ausgesetzten Förderungskürzung eine starke Steigerung der EEG-Umlage 2012? Erstaunlicherweise nein, sie stagnierte! Bekanntlich kann man sich bei Prognosen irren. Bei der Veröffentlichung der EEG-Umlage 2012, nur wenige Monate nach den Explo­sionen in Fukushima, gab es so gut wie keine aufgeregten Schlagzeilen zur EEG-Umlage bzw. gegen EEG oder Photovoltaik. Passend zum begonnenen medialen Mainstream „Wir sind Energiewende“ analog dem bekannten „Wir sind Papst“. Die Ruhe währte jedoch nicht lange.