Photovoltaik: Vom Hoffnungsträger zum Sündenbock

Ein vermeintlich vielstimmiger Chor?

Seit Juli 2012 ist Wolfgang Clement Vorsitzender des INSM-Kuratoriums. Clement ist Aufsichtsrat der Konzerntochter RWE Power AG und war einer der 40 Unterzeichner der Anzeigenkampagne zur Laufzeitverlängerung im August 2010. Er ist zudem Senior Advisor der PR-Agentur Deekeling Arndt Advisors, die im Auftrag des Atomforums 2008/2009 eine Kampagne zur Herbeiführung der Laufzeitverlängerung durchführte. Welche Akteure einander im Rahmen der INSM-Themenkampagne „Energiewende retten“ die Bälle zuwarfen und welche Nähe und Vernetzungen bestehen, sieht man eindrucksvoll auf der Website der Energieblogger unter „Transparenz“. Alle Informationen sind mit Links und vielen Quellen belegt.

Besonders in Zeiten, wenn Gesetzestexte vorbereitet werden, tauchen im Abstand weniger Tage zahlreiche Akteure auf, die das Gleiche fordern. Passend hierzu gibt es Studien am laufenden Band von vermeintlich neutralen Instituten wie dem IW, EWI, RWI, die bei näherem Hinsehen gar nicht so neutral sind, wie sie den Anschein erwecken sollen:

Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Das IW wurde 1951 als Deutsches Industrie-Institut (DI) gegründet und wird von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) getragen. Das IW ist gemäß Lobbypedia die Muttergesellschaft der Lobbyorganisation INSM. Der Direktor ist Michael Hüther, der zugleich im wissenschaftlicher Beirat des Wirtschaftsrats der CDU ist. 2012 wurden Studien des IW zum EEG u.a. im Auftrag der INSM erstellt. Die Veröffentlichung der Studie war ein Medienevent mit sämtlichen Pressevertretern: „EEG belastet vor allem Geringverdiener“

Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI)

Das EWI wird von E.on und RWE gefördert. E.on, RWE, Vattenfall und RAG finanzieren z.B. die Stiftungsprofessur des energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI). Chef des EWI ist Marc Oliver Bettzüge, der zugleich auch im wissenschaftlichen Beirat des „Wirtschaftsrats der CDU“ ist. Besondere Aufmerksamkeit hat das EWI 2010 durch die Veröffentlichung einer Studie bekommen, die Grundlage für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken wurde. Das EWI erstellte 2012 eine Studie zum EEG im Auftrag der INSM: „Weiter explodierende Kosten bis 2018“.

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI)

Das RWI-Institut ist ein wirtschaftsnahes Institut, das jeweils zu etwa einem Drittel vom Bund, dem Land NRW und über Drittmittel finanziert wird, wie z.B. über die Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI. Präsident dieser Gesellschaft war ab 1996 Dietmar Kuhnt (Vorstandsvorsitzender RWE AG 1995-2003), danach bis Juni 2012 Rolf Pohlig (Finanzvorstand RWE AG bis Ende 2011). Der jetzige Präsident der Gesellschaft ist Manfred Breuer. Der RWI Präsident ist Christoph M. Schmidt, der zugleich Vorsitzender des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist („5 Wirtschaftsweise“). Das RWI erstellte 2012 im Auftrag der INSM eine Ausarbeitung zum Quotenmodell. Ende August fand die gemeinsame Eröffnung von RWI und INSM der Themenkampagne „EEG stoppen, sonst scheitert die Energiewende“ statt. Hierbei wurden die stimmungsmachenden Motive der Plakat- und Anzeigenkampagne vorgestellt.

Monopolkommission

Der frühere Vorsitzende und jetziges Mitglied ist Justus Haucap, zugleich Vorsitzender im Forschungsbeirat und Mitglied im Verwaltungsrat des RWI, sowie Autor im Ökonomenblog der Lobbyorganisation INSM. Bei der Themenkampagne „EEG stoppen – Energiewende machen“ war er einer der Protagonisten der Kampagnen-Videos. Die INSM-Themenkampagne „Wirtschaftspolitik verstehen“ ist ein gemeinsames Videoformat der INSM und des Thinktanks Econwatch, das auch im Rahmen der INSM-Kampagne „EEG stoppen – Energiewende retten“ zum Einsatz kam. Der Präsident von Econwatch, der mit der INSM kooperiert, ist Justus Haucap. Die Monopolkommission empfiehlt das Quotenmodell. Die dazugehörige INSM-Veröffentlichung war in allen Zeitungen: „Monopolkommission empfiehlt Quotenmodell statt EEG“.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats ist RWI-Präsident Christoph M. Schmidt, der die INSM-Themenkampagne zur Abschaffung des EEG mit eröffnet hat. Auch die Veröffentlichung der Quotenmodell-Forderung des Sachverständigenrats hatte in allen Zeitungen entsprechende Schlagzeilen zur Folge.

Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

Der BDEW ist ein Unternehmensverband von 1.800 Unternehmen, der zwar auch etliche Stadtwerke und Regionalversorger vertritt, jedoch aufgrund der Vielzahl der Tochter- und Tochter-Tochterfirmen, sowie Beteiligungen durch die Interessen von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall dominiert wird. Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung ist Hildegard Müller. Diese war von 2005-2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt und ist eine enge Vertraute von Angela Merkel. Der BDEW forderte 2013 die Abschaffung des EEG und schlug ein neues Modell vor, was von allen Zeitungen augenblicklich thematisiert wurde.

Wirtschaftsrat der CDU

Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein unternehmerischer Berufsverband mit rund 12.000 Mitgliedern. Er fordert die Abschaffung des EEG und Einführung des Quotenmodells. Im Präsidium und in der Bundesfachkommission ist u.a. Johannes Lambertz, der bis Ende 2012 Vorstandsvorsitzender der RWE Power AG war. Im wissenschaftlichen Beirat sitzen Bettzüge (EWI) und Hüther (IW). Zum Bundesvorstand des Wirtschaftsrats gehört außerdem auch Hildegard Müller (BDEW). Forderungen des Wirtschaftsrats der CDU werden stets ausgiebig in den überregionalen Zeitungen thematisiert.

Deutsche Energie Agentur (dena)

Die dena und ihr Geschäftsführer Stephan Kohler fordern die Abschaffung des EEG und ein Ende des Einspeisevorrangs für Erneuerbare Energien. Überall zu lesende Schlagzeile August 2013: „dena-Chef fordert die Abschaffung des EEG“. 2007 wurde die dena mit mehr als neun Mio. Euro von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall unterstützt. 2008 lief die Kommunikationsoffensive „zur positiven Beeinflussung der politisch-öffentlichen Debatte um die Restlaufzeiten von Kernkraftwerken“ durch den Auftraggeber Atomforum (Zusammenschluss von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall). Kohler warnte 2008 dringend vor einer Stromlücke, falls auf die Kernenergie verzichtet würde. Die Zahlengrundlage wurde jedoch nicht offengelegt, bzw. durch andere Rechnungen widerlegt. Kohler bekam 2009 von RWE ein Angebot, die Seiten zu wechseln, was er nach kurzem Zögern dann aber doch wieder verwarf.

Eigentliche Ursachen werden ausgeblendet

In den allermeisten Schlagzeilen, Studien und Veröffentlichungen spielte die Auseinanderentwicklung der tatsächlich belegbaren Stagnation der eigentlichen EEG-Kosten (= Auszahlungen an die Anlagenbetreiber) und der exponentiell ansteigenden EEG-Umlage nie eine Rolle. Obwohl die AusglMechV von Juli 2009 und das dadurch hervorgerufene EEG-Paradoxon nach Untersuchung des Öko-Instituts von 2013 zu 2014 nachweislich mit 37% bei der EEG-Umlagensteigerung den mit Abstand größten Anteil ausmacht, ist sie in dieser Inszenierung nicht existent. Presseerklärungen von NGO, Parteienvertretern oder Verbänden, die nicht dem aktuellen Mainstream entsprechen, finden nicht in gleicher Weise Berücksichtigung. Oft werden sie überhaupt nicht abgedruckt.

[note Mit einem Plakat, das u.a. in Berliner U- und S-Bahnhöfen hing, wandte sich die Wirtschaftsvereinigung Stahl mit dem Slogan: “Hohe Energiekosten setzen nicht nur die Stahlindustrie aufs Spiel” an die Öffentlichkeit – als unterstützendes Bildmotiv werden Stahlkegel von einer Plastik-Bowlingkugel bedroht. Allerdings fand diese Aktion weder auf der Stahl-Internetseite noch auf den Seiten einer der beteiligten Firmen Erwähnung.]

Wie aus A ein B werden kann

Das Geheimnis der Meinungsmache liegt in der Wiederholung. „Es ist leichter, eine Lüge zu glauben, die man hundertmal gehört hat, als eine Wahrheit, die man noch nie gehört hat,“ sagte der amerikanische Soziologe Robert Staughton Lynd. Energieminister Gabriel verwendete bei der Vorstellung seines Eckpunktepapiers zur EEG-Reform die gleiche Wortwahl wie die INSM: „diese Maßnahmen sind notwendig um die Energiewende zu retten“. Vom künstlich erzeugtem EEG-Paradoxon hört man von Gabriel kein Wort und schon gar keinen Vorschlag der Gegenmaßnahme (Änderung des Wälzungsmechanismus). Stattdessen kam der Vorschlag einer Eigenverbrauchsabgabe auf selbstverbrauchten PV-Strom. Was laut Verbraucherschützer Krawinkel den Verbraucher um durchschnittlich 75 Cent im Jahr entlastet. Während die EEG-Umlage weiterhin gegen den Himmel rasen wird, wenn es beim Systemfehler der AusglMechV bleibt. Trotz weitergehender Kahlschlagpolitik gegen die dezentrale Energiewende von Bürgern, die ihrerseits dafür weiterhin als Sündenböcke denunziert werden.

Die professionell organisierte Meinungsmache mit Slogans wie „Hilfe – die Energiewende wird unbezahlbar“ oder „Subventionen lassen die Strompreise explodieren“  scheint, ungeachtet jeglichen Wahrheitsgehalts, zu funktionieren. Wurde vor mehreren Jahren bei einer Radioumfrage von Passanten den drei Buchstaben EEG ein „Europäisches Einigungsgesetz“ zugeordnet, ist die heutige Assoziation zum Begriff EEG medial und an den Stammtischen gesetzt.

Diese Methoden zu kennen, zu durchschauen, zu enttarnen und zu kommunizieren, ist eine Herausforderung, die weit über das Themengebiet Energiewende herausgeht. Sie ist wichtig für den Erhalt einer echten und nicht lediglich nur demokratisch kostümierten Demokratie.
->Quelle(n): sonnenenergie.de1; sonnenenergie.de2; netztransparenz.de; blogs.taz.de; lobbycontrol.de; pv-magazine.de; insm.de; lobbypedia.de; energieblogger.net
Der Artikel wurde in zwei Folgen zuerst veröffentlicht in Die SONNENENERGIE; erhältlich hier; WebApp; alles Weitere