Aufruf zu einer neuen europäischen Mobilitätspolitik

Verkehrswende

Wie können wir in Europa die technologische Dynamik einer stärker vernetzten und digitalisierten Mobilität begleiten? Welches sind die entscheidenden Akteure einer europäischen Mobilitätsrevolution und wie stellen wir sicher, dass deren positive Effekte überwiegen? Ruggero Schleicher-Tappeser und Gerd Leipold versuchten mit der Ausarbeitung „Shaping the impacts of new technologies: A Call for New European Mobility Policies“ („Die Auswirkungen neuer Technologien gestalten: Ein Aufruf zu neuen europäischen Mobilitätspolitik“) eine neue, übergreifende Perspektive auf die europäische Mobilitätsdiskussion zu bieten. Solarify übersetzte und dokumentiert die Zusammenfassung des Abschlussberichts.

Zähflüssiger Verkehr vor Windgeneratoren – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Neue Faktoren

Seit einem Jahrhundert sind die Technologien im Verkehrssektor im Wesentlichen gleich geblieben. Die Nutzung von Privatfahrzeugen dominierte unser Leben, unsere Städte, unsere Landschaften, unsere Wirtschaft und unsere Fantasie. Seit Jahrzehnten sind auch die Argumente in der Verkehrsdebatte im Wesentlichen gleich geblieben. Umweltschützer, Verbraucher, Raumplaner und öffentliche Verkehrsmittel standen in Opposition zu einer mächtigen Automobilindustrie, die nur langsam Wahrnehmungen und Verhaltensweisen veränderte, aber das Terrain für einen tieferen Wandel bereitete.

Zwei neue Faktoren erfordern heute einen völlig neuen Ansatz und bieten die Möglichkeit, rituelle Parteilichkeit zu überwinden: die Verfügbarkeit neuer Technologien und neuer Akteure im internationalen Wettbewerb. Der vorliegende Bericht zielt darauf ab, eine Debatte über innovative EU-Politiken im Bereich Verkehr und Mobilität zu fördern. Eine dringende Debatte, wie die Ergebnisse zeigen: Die Transformation des Verkehrssystems und des Mobilitätsverhaltens kann schneller und weiterreichend sein, als die meisten Menschen glauben. Um potenzielle Umwelt- und Sozialleistungen zu nutzen und unvermeidliche Probleme zu bewältigen, ist die Entwicklung geeigneter Rechtsrahmen unerlässlich und eine anspruchsvolle Aufgabe.

Zunächst gibt der Bericht einen kurzen Eindruck von der Geschwindigkeit des Wandels und den daraus resultierenden Herausforderungen. Basierend auf einer Systemanalyse von technologischer Innovation, dem Verkehrssystem und seinen gesellschaftlichen Dimensionen konzentriert sich der Bericht dann auf das politische Kraftfeld mit den Triebkräften des Wandels und einer Vielzahl von Akteuren. Schließlich werden Schlüsselelemente geeigneter neuer europäischer Mobilitätspolitiken identifiziert.

Starke Treiber für eine tiefgreifende Transformation des Verkehrssystems

  1. Ein erster Treiber sind grundlegende technische Innovationen: Elektrofahrzeuge, fahrerlose Fahrzeuge und gemeinsame Plattformen. Alle versprechen weniger Umweltverschmutzung, weniger Klimawandel, billigeren Verkehr, höhere Effizienz, mehr Komfort, mehr Sicherheit.
  2. Ein zweiter Treiber ist der internationale Wettbewerb: Schwellenländer und IT-Unternehmen sind neue und entschlossene Akteure im Spiel.
  3. Ein dritter Treiber ist die Urbanisierung: Immer dichter werdende Ballungsräume erfordern eine flächeneffizientere Mobilität.
    Die Geschwindigkeit des Wandels ist schwer vorherzusagen, aber wir müssen uns auf disruptive Veränderungen innerhalb der nächsten zehn Jahre einstellen.

Während jeder dieser Treiber auf Veränderungen drängt, kann die Wirtschaftlichkeit ihrer Kombination unwiderstehlich sein: Wenn fahrerlose Elektrofahrzeugflotten für Personen und Güter, die flexibel durch gemeinsame Plattformen organisiert sind, relativ sauberen und komfortablen Verkehr zu weniger als der Hälfte der derzeitigen Kosten bieten können, werden diejenigen, die versuchen, das etablierte System zu verteidigen, nicht lange widerstehen können. China unternimmt große Anstrengungen, um auf der Grundlage dieser neuen Technologien eine weltweit führende Fahrzeugindustrie aufzubauen. Europäische und US-amerikanische Automobilhersteller und Regierungen haben ihre Macht verloren, die Agenda zu kontrollieren.

Folgt: Verzögerung der Veränderungen keine Option für Europa