Merkel zu Macron: „…nicht einfach Ja sagen“

Deutschland hat zwar geringen CO2-Anteil aber unglaublichen Ressourcenverbrauch hinter sich

Bei uns in Deutschland gibt es sehr oft die Diskussion, dass wir doch nur einen geringen Anteil an den CO2-Emissionen hätten; von uns hänge doch gar nicht so viel ab. Den Menschen, die so diskutieren, muss man immer und immer wieder sagen: Wir haben einen unglaublichen Ressourcenverbrauch bereits hinter uns, womit auch wir die Weichen dafür gestellt haben, dass die Welt heute in einer so schwierigen Lage ist. Deshalb haben wir angesichts unseres Wohlstands auch die Verantwortung, für klimafreundliche Innovationen in ganz besonderer Weise da zu sein. Diese Diskussion müssen wir in den entwickelten Industrieländern führen.

Deutschland hat bei der Entwicklung Erneuerbarer Energien einiges geleistet und ist hiermit sozusagen in Vorleistung getreten. Wir haben relativ hohe Förderkosten auf uns genommen, bevor diese Technologien jetzt fast Marktreife erlangt haben. Wir haben gesehen, dass Skalierungseffekte dazu geführt haben, der Wirtschaftlichkeit doch sehr nahezukommen. Heute zeigt es sich, dass wir über Ausschreibungen zum Beispiel für die Vergabe von Windenergien an vielen Stellen ohne zusätzliche Subventionen Windenergie erzeugen können. Es ist also eine Frage der Gerechtigkeit, dass Industrieländer klimafreundliche Technologien entwickeln und zum Einsatz bringen, da sie eben über lange Zeit Hauptverursacher klimaschädlicher Emissionen gewesen sind.

Es ist eine weitere Frage der Gerechtigkeit, dass sie sich auch für den Technologietransfer verantwortlich fühlen. Das heißt, dass wir zum Beispiel im Rahmen unserer Entwicklungspolitik Einführungsmöglichkeiten in anderen Ländern suchen, um dann auch dort zu marktreifen Produkten zu kommen. Das wird im Übrigen unsere Entwicklungspolitik in den nächsten Jahren verändern. Wir müssen Entwicklungspolitik in Zukunft stärker sozusagen als Scharnier zu einer marktwirtschaftlichen Nutzung von Innovationen begreifen. Heute verlaufen marktwirtschaftliche Mechanismen der Wirtschaft einerseits und Entwicklungspolitik andererseits häufig noch auf völlig getrennten Gleisen. Wir müssen im Grunde dazu kommen, dass ein Teil von Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit auch auf einen Transfer von Innovation hin zu einem marktreifen Produkt vor Ort abstellt.

Weltweite Treibhausgasneutralität

Technologische Neuerungen spielen also eine wichtige Rolle für die Transformation hin zur globalen Treibhausgasneutralität. In diesem Zusammenhang gibt es neben vielem, was uns Sorge machen kann, auch sehr viele positive Beispiele. Ich will Chile nennen. Wir sehen dort einen bemerkenswerten Aufschwung Erneuerbarer Energien. Windenergie, Fotovoltaik und Solarthermie verzeichnen seit fünf Jahren hohe Wachstumsraten. Ich finde es auch sehr schön, dass die deutsch-chilenische Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang Früchte trägt.

Costa Rica ist ein weiteres Beispiel. Das Land arbeitet an einer Energie-, Verkehrs- und Agrarwende mit dem Ziel von Nullemissionen bis 2050. Auch China weist ein weiterhin beachtliches Wachstum der Erneuerbaren Energien auf. 2018 haben sie dort bereits mehr als ein Viertel zur Stromproduktion beigetragen. Wenn man sich überlegt, dass China ein sehr großes Land mit einer sehr großen Bevölkerung ist, dann sieht man, dass das etwas ist, was im weltweiten Maßstab auch wirklich Wirkung zeigt und deutlich macht, mit welcher Entschiedenheit sich China der Herausforderung des Klimawandels stellt.

„Compact with Africa“

Wir sehen sehr große Potenziale für Erneuerbare Energien in Afrika. So bringt sich Deutschland auch in den „Compact with Africa“ mit ein. Das ist eine Initiative, die wir während unserer G20-Präsidentschaft entwickelt haben. Hierbei geht es darum, Investitionen in Afrika anzureizen – darum, afrikanische Länder dazu zu ermutigen, ihre gesamte Finanzpolitik transparenter auszurichten, die Kreditwürdigkeit zu verbessern und auch deutsche Unternehmen dazu aufzufordern, gerade in diesen Ländern zu investieren. Im Rahmen unserer bilateralen Reformpartnerschaften zum Beispiel mit Ghana und der Elfenbeinküste haben wir schon recht gute Erfolge erzielt.

Die Transformationsfortschritte dürfen sich nicht nur auf den Energiebereich beschränken. So stellt zum Beispiel der indische Bundesstaat Sikkim seine Landwirtschaft auf 100 Prozent ökologischen Landbau um. Drei weitere indische Bundesstaaten planen dies ebenfalls. Auch das ist ein Beitrag für den Klimaschutz.

Aber wir sind uns einig – ich könnte natürlich noch viele gute Beispiele aufzählen –, dass das alles noch nicht ausreicht, um unsere Ziele wirklich zu erreichen. So sehen wir nach wie vor, dass die Erwärmung in den nördlichen Polarregionen zunimmt. Eisflächen und Permafrostböden drohen zu verschwinden, was dann die Erderwärmung noch weiter anheizt. Wir wissen, dass es im Klimawandel Kipppunkte gibt, die sehr schwer vorauszusagen sind, die dann aber auch neue große und qualitative Auswirkungen haben werden. Deshalb muss es uns auch mit Sorge erfüllen, dass lange Hitze- und Dürreperioden ihre Folgen zeigen. Die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, die FAO, schätzt, dass die weltweite Getreideernte im aktuellen Agrarjahr 2018/19 nicht ausreichen wird, um den Verbrauch zu decken. Wir sehen also an einigen Stellen, dass es wirklich im wahrsten Sinne des Wortes an die Reserven geht. Auch Stürme und Überschwemmungen tragen dazu bei. Und wir wissen, dass das viele Menschenleben kostet und viel Leid verursacht.

Wir sehen, dass der Klimawandel eine Tatsache ist. Ich begrüße es deshalb sehr, dass uns der Generalsekretär der Vereinten Nationen zusätzlich zu der Klimakonferenz in Chile für den September auch noch einmal als Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel der Vereinten Nationen eingeladen hat, um zu sehen, welche Fortschritte wir seit der Verabschiedung des Abkommens in Paris erreicht haben. Ich werde daran teilnehmen. Er wird dort auch noch einmal Druck machen. Und Frau Schulze hat natürlich recht: Mit dem Thema Klimaschutz darf man die Umweltminister nicht allein lassen, sondern jeweils das ganze Kabinett und damit auch die politische Leitung jedes Landes muss dahinterstehen.

Folgt: 2010 bis 2020 weitere 20 Prozent CO2-Reduzierung „jetzt doch als nicht ganz einfach“