Strom steckt auch in Produkten, Prozessen und Materialien, oft unsichtbar und unterschätzt. Der neue Bericht des Umweltbundesamtes zur Entwicklung der CO2-Emissionen im deutschen Strommix zeigt, wo drin überall Strom steckt und was es für Klimabilanz und das Gelingen der Kreislaufwirtschaft bedeutet.

Strominfrastruktur im Grünen: Damit Produkte und Prozesse klimafreundlich werden können, muss auch der Strom für ihre Herstellung nachhaltig erzeugt werden l Foto: Neil Crook
Der neue Strom-Mix-Bericht des Umweltbundesamtes betrachtet Strom nicht nur als das, was aus der Steckdose kommt, sondern als Energie. Als Ressource, die in vielfältiger Form verarbeitet und genutzt wird – von der Industrie bis zum Alltag. Allein die Herstellung von Aluminium verschlingt weltweit jährlich mehr als 950 Terawattstunden Strom. Das entspricht fast dem gesamten Stromverbrauch Japans. Auch das Internet ist ein Stromfresser: Rechenzentren, Netzwerke und seit ein paar Jahren auch KI-Projekte verursachen zusammen rund zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen. Tendenz steigend. Auch die Nutzung, Wartung und das Recycling der Produkte benötigen Strom. Selbst Dinge, die man nicht mit Energieintensität in Verbindung bringt, wie ein T-Shirt, verbrauchen auf ihrem Weg von der Pflanze bis zum Verkaufsetikett viele Kilowattstunden, zum Beispiel für Bewässerung, Ernte, Transport, Spinnen, Färben, Verpacken.
Für das Jahr 2024 werden die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom in Deutschland inklusive dieser Vorketten bei 396 Gramm liegen, gegenüber 363 Gramm, wenn nur der Verbrauch betrachtet wird. Diese Differenz von fast zehn Prozent (55 g CO2-Äquivalente/kWh) macht deutlich: Wer nur den Strom am Ende betrachtet, unterschätzt die Klimawirkung der gesamten Kette. Für eine Kreislaufwirtschaft ist das ein kritischer Punkt. Denn Recycling ist nicht per se emissionsarm. Wer zum Beispiel Aluminium oder Glas recycelt, spart zwar Rohstoffe, aber auch hier fließt Energie in den Prozess. Wird diese Energie aus fossilen Quellen gewonnen, fällt die Ökobilanz trotz Recycling schlecht aus. Erst ein hoher Anteil erneuerbarer Energien macht die Kreislaufwirtschaft klimafreundlich.
Der Bericht zeigt: Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix ist bis 2024 auf über 54 Prozent gestiegen, ein neuer Rekordwert. Gleichzeitig sinkt der Stromverbrauch. Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes lag er 2024 bei 439 Terawattstunden und damit deutlich niedriger als in den Vorjahren. Möglich wurde dies unter anderem durch die stagnierende Wirtschaft, aber auch durch Effizienzsteigerungen. Zudem wurde erstmals seit 2002 wieder mehr Strom importiert als exportiert. Dieser Stromimportüberschuss – 24,4 Terawattstunden führt dazu, dass bestimmte Emissionen im Ausland entstehen und nicht in die deutsche Klimabilanz eingehen. Das senkt zwar rechnerisch den CO2-Faktor des deutschen Strommixes, ist aber kein echter Fortschritt für den Klimaschutz.
Ein anderes Beispiel: Elektroschrott. Millionen ausrangierter Smartphones, Fernseher oder Haushaltsgeräte enthalten wertvolle Metalle, aber auch eine „eingebaute“ Strombilanz. Ihre Zerlegung oder Entsorgung verbraucht erneut Energie. Werden sie dagegen repariert oder wiederverwendet, verlängert sich der Lebenszyklus und der Energieeinsatz lohnt sich nachhaltiger.
Das zeigt: Strom steckt nicht nur in der Steckdose, sondern in den Dingen selbst. Wer den Stromverbrauch konsequent mitdenkt, erkennt, dass effiziente Nutzung und regenerative Erzeugung zentrale Hebel für den Klima- und Ressourcenschutz sind. In einer Kreislaufwirtschaft heißt das: weniger Neuproduktion, mehr Reparieren, Wiederverwenden und intelligente Systeme gespeist mit Ökostrom. Denn die Frage ist nicht nur, woher unser Strom kommt, sondern auch, wofür wir ihn unbemerkt verwenden. Wer das versteht, kann bewusster konsumieren, klüger produzieren und die Kreisläufe der Zukunft gestalten.
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